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Illegale Geschäfte im Fachhandel

IBM geht gegen Graumarkt in die Offensive

Immer wieder taucht überzählige Ware aus günstigen Projektkonditionen dort auf, wo sie nicht hingehört. Ebenso Reimporte, von Fälschungen ganz zu schweigen. Ein globales Problem für IBM, gegen das der Hersteller nun verstärkt vorgehen will.
 

Von Graumarkt spricht man dann, wenn Händler die autorisierten Vertriebswege eines Anbieters ganz oder teilweise umgehen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Herstellern sind solche Regelverstöße freilich ein Dorn im Auge. Ganz verhindern lassen sie sich aber nicht. Nichtsdestotrotz setzt sich der IT-Riese IBM seit dem vergangenen Jahr verstärkt dagegen zur Wehr. »Wir werden den Graumarkt sicher nicht ein für allemal eliminieren können«, weiß auch Stephan Wippermann, Vice President Business Partner Transformation für Europa bei IBM. Der Channel-Experte ist aber davon überzeugt, dass es wirksame Mittel gibt, mit denen sich solche Praktiken eindämmen lassen. Und die will er anwenden.
 

Der langjährige HP-Manager Wippermann, seit März 2009 bei IBM beschäftigt, zeichnet europaweit für den Kampf des Konzerns gegen den Graumarkt verantwortlich. Dabei geht es nach seinen Worten vor allem darum, dass Geschäft der Partner zu schützen. Im Markt solle das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass Graumarktgeschäfte den fairen Wettbewerb unterlaufen. Denn in erster Linie leiden darunter diejenigen Händler, die sich an die Spielregeln halten: Wer ein Produkt über autorisierte Kanäle einkauft, kann es in der Regel nicht zum selben Preis anbieten wie ein Wettbewerber, der das gleiche Produkt zu deutlich günstigeren Konditionen als Reimport bezieht oder es von einem Großprojekt abzweigt. »Unsere Partner erwarten zu Recht von uns, dass wir solche Praktiken nicht einfach hinnehmen, sondern dagegen vorgehen.«

 

»Wir wollen attraktiver für neue Partner werden, die an fairen und verlässlichen Geschäftsbedingungen interessiert sind.« Stephan Wippermann, Vice President Business Partner Transformation für Europa bei IBM



Daher hat IBM seit dem Sommer 2009 zunächst intern eine Reihe von Maßnahmen gegen den Graumarkt eingeleitet. Seit der diesjährigen CeBIT im März sucht der Konzern mit dem Thema die Öffentlichkeit. Nicht zuletzt geht es dabei um die Glaubwürdigkeit von IBM als Channel-Company. Da sich IBM inzwischen zunehmend im Mittelstand engagiert und dafür in zahlreichen Märkten die Partnerbasis ausbaut, gehört der Kampf gegen den Graumarkt zu den vertrauensbildenden Maßnahmen. Wippermann: »Wir wollen attraktiver für neue Partner werden, die an fairen und verlässlichen Geschäftsbedingungen interessiert sind und in IBM einen verantwortlich handelnden und berechenbaren Hersteller sehen.«

 

Arbitrage-Geschäfte: Die Schattenseite der Globalisierung

Ärgerlich für IBM und den Channel: Schattenwirtschaft mit Ware, die zu Projektkonditionen bezogen, aber zweckentfremdet wurde

Von Anfang an war die Graumarktoffensive von IBM weltweit ausgerichtet. »Das Problem ist so global, wie man Globalisierung nur fassen kann«, sagt Wippermann. »Deshalb müssen wir uns des Problems auch auf globaler Ebene annehmen.« Der Konzern unterscheidet bei Graumarktgeschäften im Wesentlichen drei Arten von Transaktionen: erstens Reimporte von Produkten, wobei Preisunterschiede zwischen verschiedenen Märkten ausgenutzt werden; zweitens den Missbrauch von Projektkonditionen; und drittens den Handel mit Plagiaten.

 

Um Reimporte zu verhindern, hat IBM seit dem vergangenen Sommer die Preisgestaltung bei Hardware-Produkten weltweit harmonisiert. Zuvor wichen die Referenzpreise einzelner Produkte auf verschiedenen Märkten teilweise um mehr als 20 Prozent voneinander ab. »Mit solchen Unterschieden laden Sie den Markt förmlich zu Arbitrage-Geschäften ein.« Durch die Anpassung, die IBM über einen Zeitraum von sechs Monaten vorgenommen hat, liegt die Differenz der Referenzpreise jetzt nur noch im höheren einstelligen Prozentbereich.
 

Ein verbreitetes Problem ist auch der Missbrauch von Projektkonditionen. Ein Reseller bestellt beispielsweise 1.000 Server für einen Großkunden, bei dem aber nur 800 Systeme ankommen. Die restlichen 200 Rechner verkauft der Händler anderweitig, wobei er von den günstigen Projektkonditionen profitiert. Ebenso verschwinden im Graumarkt aber einzelne Komponenten, die eigentlich in Servern oder Storage-Systemen eines Kunden verbaut werden sollten. Nicht selten tauchen Memory-Module oder Festplatten dann in einem anderen Land bei einem Broker wieder auf.
 

Wie bei Hardware-Herstellern üblich, kontrolliert IBM die Lieferkette von Produkten mit Hilfe von Barcodes und Seriennummern. Im Zuge der Graumarktoffensive hat das Unternehmen diese Kontrolle auf Hardware-Optionen und Zubehör ausgeweitet. So lassen sich auch bei Komponenten die Absatzwege lückenlos dokumentieren und Verstöße gegen Vertriebsvereinbarungen nachweisen.


 

Testkäufe gestartet

Doch wie deckt IBM solche Verstöße auf? Zum einen ermuntert der Hersteller seine Partner, wenn sie ein Projekt bei einem guten Kunden unter zweifelhaften Umständen verloren haben, die Seriennummern von Produkten oder Komponenten zu erfragen und den Vorfall zu melden. Zum anderen fahndet IBM selbst aktiv nach Ware, die im Graumarkt versickert ist. Dazu hat das Unternehmen im vergangenen Herbst europaweit mit Testkäufen bei einschlägigen Brokern begonnen.

 

Werden dabei Komponenten entdeckt, die ursprünglich im Rahmen eines Projekts bestellt wurden, geht IBM konsequent dagegen vor. Der Händler, der die Ware ursprünglich zu Projektpreisen bezogen hat, muss mit Regressforderungen rechnen. Je nach Einzelfall und Rechtslage reagiert der Hersteller auf derlei Verstöße aber auch mit der Kündigung des Partnervertrags oder er leitet weitere rechtliche Schritte ein. Besonders heikel sind Produktfälschungen, die IBM bislang bei jeder der drei Testkaufaktionen entdeckt hat. Ein Fachhändler, der Plagiate weiterverbreitet, legt sich nicht nur mit dem Hersteller an, sondern riskiert bei Systemschäden auch Regressforderungen durch seinen Kunden. »Wir können und wollen niemand verbieten, bei nicht autorisierten Quellen einzukaufen«, warnt Wippermann. »Aber jeder Reseller sollte sich der Risiken bewusst sein.«
 

Alles in allem zieht der Manager nach drei Testkaufaktionen bereits ein positives Fazit. Beim ersten Mal hätten die Testkäufer so gut wie alles aufgetrieben, was sie haben wollten, berichtet Wippermann. Beim zweiten Mal schon nicht mehr ganz so viel. Beim dritten Mal sei bei den Brokern nur noch etwa die Hälfte von dem verfügbar gewesen, was die Testkäufer gesucht hätten. »Das zeigt uns, dass wir mit unseren Aktionen eine Wirkung im Markt erzielen.«

 

 

Wer auf Graumarkt-Ware verzichtet, vermeidet Ärger

Werden Geräte am vom Hersteller formulierten Vertriebsweg vorbei und ohne Abgaben wie Zölle und Steuern erworben, kann man nicht mehr von einem Graumarkt sprechen, sondern bereits von einem Schwarzmarkt.

 

Michael Thedens ist Sales Manager DACH bei Transcend

 

Fachhändler, die Geräte kaufen, für die keine Abgaben wie Zölle und Steuern gezahlt wurden, laufen Gefahr, dass sie als »in den Markt bringender Reseller« schließlich auf den Kosten sitzen bleiben und diese stellvertretend für den Hersteller zahlen müssen; vor allem, wenn der Hersteller/OEM-Lieferant seinen Sitz außerhalb Deutschlands hat.

Neben den Abgaben ist ein weiteres wichtiges Thema die Gefahr des Imports von gefälschten Markenartikeln. Sobald das Gerät nicht vom Hersteller direkt oder einem autorisierten Vertriebspartner erworben wird, tut sich ein weiterer Gefahrenfaktor auf: Neben Produkten mit qualitativen Mängeln gibt es leider auch bewusst manipulierte Produkte, bei denen beispielsweise Kapazitätsangabe und tatsächlich vorhandene Kapazität nicht übereinstimmen.

Ein weiterer Punkt ist die CE-Kennzeichnung, die seit 1996 für alle technischen Produkte verpflichtend ist. Diese weist aus, dass das Produkt den geltenden europäischen Richtlinien entspricht: Leider bedeutet die CE-Kennzeichnung nicht in jedem Fall, dass das Produkt durch unabhängige Stellen auf die Einhaltung der Richtlinien überprüft wurde. Gründe hierfür sind die teueren Tests sowie eine aufwendigere Produktion. Um sicher zu gehen, dass ein Produkt diese Kontrolle durchlaufen hat, sollte der Verbraucher auf Markengeräte zurückgreifen.

Neben den vermeidbaren Kosten, die gefälschte Markenartikel verursachen können ist auch der damit einhergehende Imageverlust für Hersteller und Fachhändler ein großes Problem, dem nur dadurch entgegengewirkt werden kann, indem der Fachhandel bei offiziellen Vertriebspartnern des Herstellers direkt bezieht.

 

 

Graue Ware überschwemmt den CE-Markt

Alarmstufe Rot im CE-Markt. Die Wettbewerbsverzerrung und Benachteiligung von seriösen CE-Fachhändlern durch graue Ware hat dramatische Dimensionen erreicht. Die Urheberabgaben auf digitale Medien werden das Problem weiter verschärfen.

 

Der Hersteller Sony, der unlängst eine einstweilige Verfügung gegen zwei unseriös agierende Etailer erwirkt hat, ist kein Einzelfall. Der gesamte CE-Markt wird quer durch alle Produktkategorien derzeit von grauer Ware überschwemmt. Obwohl die Hersteller zu immer drastischeren Mitteln greifen, um den Grauimporteuren das Handwerk zu legen, hat der Graumarkt im Laufe der letzten Jahre beständig zugenommen. Dies bestätigt auch dexxIT-Vertriebsleiter Hans-Jürgen Schneider gegenüber Computer Reseller News: »Wir beobachten seit Jahren eine stetige Steigerung der Graumarktimporte. Dies führt zu einer totalen Wettbewerbsverzerrung und Benachteiligung von seriösen Händlern. Dass Hersteller wie Sony nun dagegen vorgehen, begrüßen wir sehr.«

Die betroffenen Etailer hatten ein Sony Produkt entweder ohne Hinweis auf die fehlende deutsche Bedienungsanleitung oder ohne die zwingende Registrierung bei der Stiftung Elektro-Altgeräte-Register bzw. unter Verkürzung der von Sony gewährten Herstellergarantie in ihren Online-Shops angeboten und die Produkte damit entgegen den in Deutschland geltenden maßgeblichen Bestimmungen vertrieben.

 

Hans-Jürgen Schneider, Vertriebsleiter beim CE-Distributor dexxIT: »Wir beobachten seit Jahren eine stetige Steigerung der Graumarktimporte. Dies führt zu einer totalen Wettbewerbsverzerrung und Benachteiligung von seriösen Händlern.«

 

»Hersteller schaffen sich den Graumarkt selbst«

»Grauimporte im Segment der Consumer Electronic sind seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, ein Dauerthema«, meint auch Christoph Dassau, Director Consumer Electronic Group bei Ingram Micro. Gegenmaßnahmen der Industrie reichten von unterschiedlichen Garantien in einzelnen Ländern bis zu einsprachigen Handbüchern. Am wirkungsvollsten sei ein europaweit einheitliches Preisniveau, jedoch hätten bei Weitem nicht alle marktrelevanten Hersteller die nötige Struktur, um eine Preisharmonisierung nachhaltig umzusetzen. »Hersteller schaffen sich den Graumarkt außerdem immer dann selbst, wenn am Monats- oder Quartalsende große Sonderposten zu Sonderpreisen verkauft werden: Das führt zu Lagerdruck in den Handelsstufen ohne Endkundennachfrage«, so Dassau.

Gravierende Auswirkungen hätten zudem Wechselkursschwankungen: Nie zuvor sei beispielsweise Shoppen in England so günstig gewesen wie jetzt – bedingt durch das aktuell schwache englische Pfund. Dies mache sich seit Monaten besonders im Musik- und im Games-Segment bemerkbar.

 

Sony will massiv gegen unseriöse Händler durchgreifen

Sony Deutschland Chef Jeffry van Ede kündigt an, in Zukunft mit gnadenloser Härte gegen unlautere Handelspraktiken auf dem CE-Markt vorzugehen: »Um unsere zuverlässigen Handelspartner zu schützen, die durch den aggressiven widerrechtlichen Warenfluss stark beeinträchtigt werden und um unsere Konsumenten vor bösen Überraschungen beim Produktkauf zu bewahren, wird Sony Deutschland nun kompromisslos und mit der gebotenen Härte vorgehen. Internethändler, die auch künftig in unzulässiger Weise Sony Produkte anbieten, werden nun zu spüren bekommen, was ich unter konsequentem Handeln verstehe«, so van Ede.

Eine Zunahme von Grauimporten beobachten Hersteller, Händler und Distributoren in allen wichtigen Produktkategorien der digitalen Unterhaltungselektronik. Besonders hart betroffen seien laut dexxIT-Vertriebschef Schneider die Produktbereiche digitale Sucherkameras, SLR-Kameras, Objektive, Camcorder, TV-Geräte und Flash Speicher. Der CE-Distributor dexxIT setzt auf zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen, um sein Angebot gegen Grauimporte abzusichern. Dies betreffe den Einkauf ebenso wie die Anlieferung und die Zusammenarbeit mit den Herstellern: »Wir befassen uns schon seit Jahren mit der Absicherung gegen Grauimporte – nicht erst seit Hersteller massiv dagegen vorgehen. Schon frühzeitig hat dexxIT umfangreiche Rechtsberatung eingeholt, um einen rechtskonformen Warenfluss zu garantieren. Dies alles tun wir aus der Überzeugung, dass ehrliche Händler nicht benachteiligt werden dürfen, sondern vor betrügerischen Geschäftemachern geschützt werden müssen«, betont Schneider gegenüber Computer Reseller News.

Um sich beim Wareneinkauf vor Grauimporten zu schützen, verpflichtet der Würzburger Spezialdistributor jeden Lieferanten schriftlich dazu, nur für die EU zugelassene Ware zu liefern. Außerdem wird bei allen Lieferanten genau geprüft, ob sie alle EU-Bestimmungen einhalten – neben EU-Ware betrifft das auch WEEE-Kennzeichnung, Urheberrechtsabgabe, GEMA, Verpackungsverordnung und Datenschutz.

 

Quelle: http://www.crn.de/index.php/software-services/artikel-82829.html

 

 

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